(Tanz-) Reisebericht Ägypten
1992 war ich zum ersten mal in Ägypten. Vorwiegend um die geschichtliche
Seite des Landes kennenzulernen und in zweiter Linie um das Land am Nil auch
tänzerisch zu entdecken.
Hier meine Erlebnisse.
(Diese Reportage wurde übrigens auch in den Halima Ausgaben 3/93 und 4/93
abgedruckt)
Abenteuer Ägypten
Geschafft! Die Koffer sind gepackt, die Pflanzen versorgt und die Verwandten
verständigt. Es kann losgehen: Ägypten wir kommen! Am 05.09.92 standen wir nun
am Stuttgarter Flughafen und flogen in gut 4 Stunden nach Kairo.
Der Versuch und das Ziel unserer Exkursion: Die Interessen eines „ganz
normalen" Touristen und einer „fast Bauchtanz-Besessenen" unter
einen Hut zu bekommen.
Als wir in Kairo ankamen war es Mitternacht. Kairo, die 15-Millionen-Stadt
besteht aus drei Verwaltungsbezirken: Kairo-Stadt, Gizeh und Qalyobia sowie aus
28 Stadtteilen. Der Transfer zu unserem Hotel war abenteuerlich, denn alle
Führerscheinbesitzer in Ägypten, speziell in der 15-Millionen-Stadt Kairo,
nehmen es mit den Verkehrsregeln nicht so genau. Es ist ein ständiges Gehupe
auf den Straßen. Man muss es sich wie folgt vorstellen: die Hupe wird betätigt
1. Wenn man auf der Straße anhält, 2. Wenn man überholt, 3. Wenn der
Vordermann zu langsam fährt, 4. Wenn man sich einfach nur aufregt und 5. Um
sich zu grüßen. Das Resultat: gehupt wird zu allen Tages- und Nachtzeiten, aus
mehr oder weniger wichtigen Gründen. Das zweite auffallende Merkmal des
ägyptischen Verkehrs ist die Tatsache, dass die Autofahrer das Licht an den
Wägen nachts nur in Ausnahmesituationen einschalten. Es heißt, lt. Aussage
eines Taxifahrers, die Straßenlaternen werfen genug Licht ab, um alles zu
sehen. Auf unsere Fragen meinte der Fahrer, dass man durch das Licht zu sehr
geblendet wird. Für einen Europäer befremdlich, aber das ist Orient.
Merkwürdig aber, dass wir in 2 Wochen keinen einzigen Unfall sahen (ohne die
Situationen, in denen sich die Stoßstangen zweier Autos zart küssten).
Da also waren wir nun mittendrin im Geschehen, in einem Land, in der der
Besitzer des kleinsten Kiosks an der Ecke englisch spricht, but only for the
tourists; in einem Land, in dem viele Mädchen schon von der frühesten Kindheit
an versprochen werden, um dann schon mit 16 Jahren einen ihnen Unbekannten zu
heiraten; in einem Land, in dem die Analphabetenrate bei 55% liegt (bei Frauen
sogar bei 70%); ein einem Land, in dem die Frauen den Schleier wieder anlegen,
um sich gegen den massiven westlichen Einfluss zu wehren und um sich erneut zum
Islam zu bekennen. Ein Land der Gegensätze, in dem viele entweder ganz reich
oder ganz arm sind.
Nach einer kurzen Nacht heißt es dann am ersten Tag: Kultur. Zuerst zu den 3
Pyramiden im Stadtteil Gizeh (ca. 20 km von Kairo-Stadt entfernt). Je näher man
zu den Pyramiden hin kommt, um so mächtiger erscheinen sie und dann wird man
sich seiner Kleinheit erst richtig bewusst. Die mit 137 m größte, 2700 v. Chr.
erbaute Cheops-Pyramide steht in der Mitte. König Cheops ließ sie für seine
sterblichen Überreste bauen. Man sagt, dass etwa 10.000 Menschen 20 Jahre lang
daran arbeiteten, die 2,5 Millionen Kalksteinblöcke zur Pyramide zu stapeln. An
der Spitze sind noch die Überreste von der früheren Alabaster-Schicht zu
sehen. Neben der Cheops-Pyramide stehen die 135 m hohe Chephren-Pyramide und die
60 m hohe Mykernius-Pyramide. Die Besichtigung der Pyramiden von außen ist
kostenlos. Um jedoch in das Innere zu gelangen, muss eine Ticket gelöst werden,
das umgerechnet etwa 5,- DM kostet. Gutes Schuhwerk ist dringend erforderlich,
denn der Weg führt oft über sogenannte „Hühnertreppchen". Die Gänge,
die man passieren muss, um in die Grabkammern zu kommen, sind teilweise nur 1 m
hoch.
Eine Narbe am Rücken wird auch mich ewig an dieses Abenteuer erinnern.
Die Luft ist sehr feucht und stickig. Touristen, die eine Kreislaufschwäche
oder ungewöhnlichen Blutdruck haben, sollten sich mit dem Anblick der Pyramiden
von außen begnügen. Man versäumt sowieso nicht viel, denn die Grabkammern in
den Pyramiden sind ganz leer und ohne Wandmalereien, nicht einmal ein
Hinweisschild erklärt den Raum. Ein ortskundiger Reiseführer wäre deshalb
ratsam. Unsere Enttäuschung war sehr groß; es ist einfach wie ein großer,
leerer, unverputzter Keller. Ich denke, wenn man es einmal gesehen hat von
innen, muss man sich die Besichtigungsplage nicht noch einmal antun.
Abends besuchten wird en Nachtclub „Back of the Moon" 68,
Mariosa, St.
Pyramids Gizeh (Stadtteil Gizeh). Ein Geheimtipp, denn allein schon die
Einrichtung lohnt den Besuch. Die Decke ist zeltförmig mit Stoffen abgehängt
und vermittelt die Atmosphäre eines Beduinenzeltes. Es ist Platz für 200
Personen, trotzdem ist aber eine Vorreservierung ratsam. Für etwa 30 DM pro
Person gibt es hier ein Menü und viel Folklore und Unterhaltung gratis. Wir
bestellten Erbsensuppe, den Mixed-Grill-Teller und den übersüßen Konofa (ein
Kuchen aus „süßen Suppennudeln"). Das Essen war gut und eine schöne
Einstimmung auf die folgende Show. Zuerst spielte eine 10 köpfige Band, und ein
Sänger gab englische und ägyptische Lieder zum Besten. Anschließend wurde
Folklore und Bauchtanz auf alle Arten gezeigt. Egal ob mit Stock, Zimbeln,
Leuchter oder Bodentanz, es wurde alles vorgeführt und mit jeder Darbietung
stieg meine Begeisterung.
Oftmals besang der Sänger eine bestimmte Situation
und die Tänzer(innen) setzten es in Bewegungen um. Auch wenn man, wie ich, der
ägyptischen Sprache nicht mächtig ist, verstand man doch die Bedeutung.
Zwischendurch gab es Akrobatik, d.h. Kegelwerfen und Balanceakte zu sehen. Nach
weiterer Livemusik sorgte ein Tanoura-Tanz für allgemeine Verwunderung (wie
schafft der Tänzer die vielen Drehungen ohne jegliche Anzeichen von Übelkeit?)
Auch das Publikum wurde in die Tänze miteinbezogen und oft fand sich ein
Tourist verwundert auf der Tanzfläche wieder. Das Programm dauerte 2 Stunden
und war keine Minute langweilig. Fazit: Ein sehr empfehlenswerter Nachtklub, mit
günstigen Preisen und einem hervorragenden Tanzensemble.
Am nächsten Tag fuhren wir mit dem Taxi in die Innenstadt von Kairo. Da
jeder der Taxifahrer meint, die Touristen wären „wandelnde Sparkassen aus
Deutschland", wird der Preis der Fahrt gleich hochgeschraubt, deshalb
sollte man hier um den Fahrpreis handeln (die Taxistände direkt vor den Hotels
mit ihren überhöhten Preisen sollten auf jeden Fall gemieden werden). Es kann
auch durchaus sein, dass der Fahrer unterwegs anhält, um Besorgungen zu machen,
oder um einen Einmischen mitzunehmen der das gleiche Fahrziel hat. Aber generell
sind die Taxifahrer, wie alle Menschen in diesem Land, sehr freundlich und
zuvorkommend, und wenn man einen englisch-sprechenden Taxifahrer erwischt,
erfährt man viel über Land und Leute. Alle meine Fragen (und das waren nicht
wenige, schon in Bezug auf diesen Artikel) wurden beantwortet. Der Taxifahrer
Sayed war so erfreut über mein Interesse, dass sich nicht nur auf Baudenkmäler
beschränkte, dass er uns spontan zu sich nach Hause einlud. Dort saßen wir
dann im sogenannten Besucherzimmer (ein Raum, der bei uns eine Abstellkammer
wäre) im Kreise seiner männlichen Verwandten und mussten essen und trinken.
Ich schreibe absichtlich „mussten", weil es als größte Beleidigung
gilt, wenn man versucht, eine Gabe abzulehnen. Also aß auch ich, obwohl ich
sehr wählerisch bin und selbst in Restaurants oft nichts auf der Speisekarte
finde. Zu meiner eigenen Verwunderung schmeckte es mir sehr gut. Dass die
Schüsseln, in Ermangelung einer Tischdecke, auf Zeitungspapier standen,
darüber kann man hinwegsehen. Der Wind zog durch die offenen Fenster (Sayed
meinte: Air condition from god) und trotzdem war es sehr gemütlich. Später
gesellten sich dann die Frauen und Kinder zu uns. Sayeds Söhne mussten sich
extra für uns saubere Kleidung anziehen.
Dann wurde getanzt. Da es sich schnell
herumgesprochen hatte, dass ich „Bauchtanzen" kann, musste ich natürlich
vortanzen. Die Familie schloss sich dann nach und nach an und es war ein
unheimlich schönes Gefühl der Zusammengehörigkeit. Dass Tanz alle Sprachen
spricht, wurde mir in diesem Moment richtig bewusst. Es war alles so schön, die
Herzlichkeit, mit der wir empfangen wurden, die Selbstverständlichkeit, mit der
wir zusammen aßen und die Vertrautheit und das Verständnis, das uns gleich
füreinander ergriff. Als uns Sayed nach mehr als 5 Stunden zu unserem Hotel
zurückfuhr und wir uns verabschiedeten, standen mir Tränen in den Augen. Die
Realität hatte uns wieder eingeholt, hier der Einheimische und dort der reiche
Tourist.
Wie weit ist es nur bei uns in Deutschland gekommen, wo sich ein Ausländer
kaum noch abends alleine auf die Straße trauen kann? Dort in der kleinen
Wohnung in Kairo war alles friedlich und heute, da ich wieder daheim bin,
trauere ich oft diesen wunderschönem Stunden nach.
Ein absolutes Muss in Alt-Kairo ist natürlich der
Khan-el-Khalili-Basar,
dessen Geschichte bis auf das Ende des 14. Jahrhunderts zurückgeht. Eine
Siedlung, Geschäft an Geschäft, wo es wirklich alles gibt, von Souvenirs und
Gewürzen über Brautkleider bis hin zu Obst und Papyruszeichnung (Achtung: oft
sind die Bilder auf gepresste Bananenblätter gemalt, deshalb nur in guten
Papyrus-Instituten kaufen.) Man sollte sich auf jeden Fall die ägyptische
Schreibweise der Zahlen einprägen, da die Waren oft nur so ausgezeichnet sind.
Die Touristen bezahlen einen überhöhten Preis, da der tüchtige
Geschäftsinhaber gleich einen teueren Preis angibt, wenn er die Unkenntnis
bemerkt. Auch hier gilt: handeln. Freitag ist der islamische Feiertag und die
Geschäfte sind dann geschlossen. Wenn man durch die Straßen des Basars läuft,
glaubt man in einer anderen Welt zu sein. Viel Geschrei, viele Menschen, die
engen Straßen und die verschiedenen Düfte aus den zahlreichen Läden
vermitteln die typische Orient-Atmosphäre. Kinder stehen auf Kisten und preisen
brüllend ihre Ware an. Es sieht regelrecht nach einem Wettbewerb aus, mit dem
Verkaufsprinzip: Wer am lautesten schreit, macht den größten Umsatz. Geheimtipps
sind aber auch hier notwendig. Wir rannten 4 Stunden rum, und ich kaufte Zimbeln
in allen Größen, Tücher mit bunten Borten, Perlen und Perlenmotive und
paillettenverzierte Haarspangen und Stoffe. Allerdings sahen wir kaum
Bauchtanzkostüme (mit Ausnahme der billig gemachten Touristen-Kostüme für
knapp 100 DM), dafür aber viele schöne Baladikleider für unter 50 DM. Für
den Durst zwischen all den Einkäufen gibt es Stände mit Cola und 7up.
Verblüfft waren wir, als wir für eine Flasche umgerechnet nur 25 Pfennige
bezahlen mussten. Außer den Erfrischungsgetränken sind auch Händler mit
Bauchläden unterwegs, die frisch gepresste Säfte, Tee oder Wasser aus
Kanistern anbieten. Wenn man nicht vom „Fluch des Pharao", sprich von
Verdauungsstörungen, heimgesucht werden möchte, sollte man dort nichts kaufen.
Es sei denn, die Flaschen werden erst nach dem Kauf geöffnet.
Abends gingen wir essen im Stadtteil Gizeh im Restaurant Cheristo, Vue des
Pyramids, Tel. 3833582. Von der Terrasse diese sehr großen Lokals hat man einen
herrlichen Blick auf die große Pyramidenstraße mit den drei Pyramiden im
Hintergrund. Die Speisekarte ist nicht groß. Fleisch gibt es gar nicht, sondern
nur Fisch. Angeboten werden verschiedene Fischmenüs, z.B. Scampis, Backfisch
oder Calamari von 12 DM bis 25 DM. Die Aussicht, die freundliche Bedienung, das
hervorragende Essen und die Wasserpfeife (Sisha), die uns kostenlos als „Nachtisch"
gereicht wurde, hinterließen bei uns einen bleibenden Eindruck.
Nur ein paar Meter vom Christo entfernt ist das Hotel Mena House Oberoi,
Pyramids Road, Al Ahram St., Tel. 3833222. Es gilt als eines der zehn schönsten
Hotels der Welt. In diesem Hotel gibt es eine Lobbybar, ein Casino, mehrere
Restaurants und Geschäfte und einen Nachtclub.
Die Inneneinrichtung besteht
teilweise aus den wunderschönen, traditionellen Holzgittern „Maschrabiya"
und überall glänzt es golden. Ein sehr gepflegtes Hotel mir gehobenem
Ambiente, das trotz seiner tollen Atmosphäre und dem guten Service nicht
überteuert ist. Hier wird exzellente einheimische und internationale Küche
angeboten. Von Spaghetti (ca. 6,50 DM) bis Filetsteak (ca. 15 DM) wird jeder
Feinschmecker verwöhnt. Der Nachtisch reicht von Baklava bis Mousse au chocolat
(4,50 DM). Im Restaurant „Al rabayyat" des Mena House beginnt jeden Abend
gegen 21 Uhr eine Folkloreshow (Tischreservierung erforderlich).
Hassan Afifi´s
Folkloric Troup zeigte uns dort ca. 1 Stunden lang Tanzdarbietungen auf einer
Bühne, während im Saal unten die gute Küche zu genießen war. Die Hassan
Afifi Folkloric Troup ist zu Recht derzeit eine der bekanntesten und besten
Tanzgruppen in Kairo. Die Männer und Frauen werden von verschiedenen Hotels
eingeladen zu tanzen und haben meist mehrere Termine an einem Abend. Wer sicher
gehen will, gekonnten, authentischen Orientalischen Tanz zu sehen sollte sich
nach den Auftrittsorten dieser Gruppe erkundigen.
Doch neben all dem Glanz eines Nobelhotels sollte man den Blick auch auf die
andere Seite Kairos richten Bei einer Einwohnerzahl von 15 Millionen und einer
Bevölkerungsdichte von 50.000 Einwohnern/qkm macht sich auch die Armut breit.
Die Hälfte der Bewohner Ägyptens ist jünger als 20 Jahre. Nur 3,5 % der
Fläche Gesamt-Ägyptens bilden das bewohnbare Siedlungsland. Viele Menschen vom
Land versuchen ihr Glück in der Großstadt Kairo und werden oft bitter
enttäuscht. Inzwischen ist es leider die Realität, dass die Ärmsten der Armen
in der Totenstadt im Osten Kairos leben. Dort wohnen sie in den Steinhäusern,
in denen auch die Totensteinsärge liegen. Da sie die Gräber sauberhalten und
bewachen, werden sie dort geduldet. Dieses „Wohngebiet" ist inzwischen
als Lebensraum anerkannt und sogar an die Strom- und Wasserversorgung
angeschlossen. Touristen wird jedoch empfohlen, dieses Gebiet nicht ohne
Führung anzuschauen, da die Kriminalität dort in letzter Zeit rapide
angestiegen ist. Wir sahen aber auch einige Einheimische, die am Straßenrand im
Staub schliefen. Unser Bekannter Sayed meinte, das sind die Drogenabhängigen,
die am Leben gescheitert sind.
Ein weiteres Muss ist der Besuch des Ägyptischen Museums das 1902 eröffnet
wurde Für 5 DM ist man dabei; das Benutzen von mitgebrachten Videokameras und
Fotoapparaten muss jedoch extra bezahlt werden. Das Fotografieren mit Blitz ist
ohnehin verboten, da das grelle Licht die Skulpturen angreift. Auf zwei Etagen
sind in über 100 Schauräumen zahlreiche pharaonische Kunstwerke zu sehen.
Am
beeindruckendsten sind wohl die vielen mehr oder weniger gut erhaltenen Mumien
und die Sammlung von Tut-Ench-Amuns Schätzen, der im Alter von nur 18 Jahren
verstarb. Das Grab, das erst 1922 von Howard Carter und seiner Mannschaft
unberührt entdeckt wurden, barg die wohl reichsten Grabbeigaben der
Pharaonenzeit.
Der Goldsarg besteht aus 225 kg reinem Gold, die Totenmaske wiegt
9 kg und ist verziert mit Lapislazulis, Türkisen, Quarz und farbigem Glas. Drei
Stunden braucht man mindestens, um in diesem Museum die wichtigsten Dokumente
der Geschichte gesehen zu haben.
Das war nun ein kleiner, persönlicher Überblick über das, was Kairo alles zu
bieten hat. Wir verbrachten dort eine Woche, haben aber längst noch nicht alles
gesehen, was sehenswert wäre. Aber wir haben Menschen kennengelernt, in ihrer
unnachahmlich herzlichen und zuvorkommenden Art. Menschen, die auch ein wenig
zufrieden sind und sich nicht, wie wir, ständig Sorgen machen um den kommenden
Tag.
Am Samstag, den 12.09. mussten wir früh aufstehen und dann mit dem Taxi zum
Flughafen Kairo fahren. Nach einer Stunde Flug landeten wir in Hurghada am Roten
Meer. Bei der Ankunft waren wir sehr enttäuscht, denn nur trockenes,
wüstenähnliches Land war weit und breit zu sehen. Erst als wir in unsere
Hotelsiedlung einfuhren, wurde die Landschaft grün. Die Landesregierung
Ägyptens will Hurghada zum Haupttouristengebiet des Landes machen. Leider geht
dadurch die Natürlichkeit weitgehend verloren. Schon jetzt ist das „Orientalische"
nicht mehr zu spüren. Als wir z.B. in der Stadt waren und an den Souvenirläden
vorbeigingen, stellten wir fest, dass die Einkaufspassage genauso gut in Spanien
oder Frankreich sein könnte. Aber die Stadt passt sich den Erwartungen der
Touristen an, und viele Urlauber wollen es halt wie daheim haben. Momentan gibt
es ca. 15 Hotels in Hurghada und Umgebung, aber allerorts wird gebaut. In 5
Jahren wird wohl nichts mehr von der Idylle übrig sein.
Unser Hotel „Magawish" überzeugte uns in jeder Hinsicht. Kein großer
Hotelkomplex, sondern kleine Bungalows verschafften Gemütlichkeit. Die
Mahlzeiten waren das Beste, was wir je in einem Urlaub zu essen bekamen und an
Unterhaltung mangelte es nicht. Nur auch hier wieder die Kritik: zu wenig
Orient. In der Bar lief englische Disco-Musik und den einzigen Bauchtanz zeigte
eine deutsche Touristin zwischen zwei amerikanischen Cabaret-Einlagen des
Animationsteams.
Hurghada ist der Geheimtipp für sauberes, klares Meer und die prächtigen
Korallenbänke. Viele Taucher, Schnorchler und Surfer kommen jedes Jahr hierher.
Auch wir wagten den Sprung ins kalte Wasser und machten einen Tagesausflug zum
Schnorcheln.
Eine Art Fischkutter brachte uns auf eine zwei Stunden entfernte
Insel. Wir schnorchelten mit Flossen und Taucherbrille und wussten nicht, wo wir
zuerst hinschauen sollten. Die Farbenpracht und Artenvielfalt der Fische ist
beeindruckend. Die Korallenbänke beherbergen die Fische und Seeigel. Als ich
eine 1 m lange (das ist kein Anglerlatein!!!) schwarz-weiße Wasserschlange sah,
wich mein Mut und meine Abenteuerlust sank merklich. Aber letztendlich siegte
doch die Neugierde. Heute bin ich der Meinung, wer Hurghada nicht von
Schnorchel- oder Tauchexkursionen her kennt, hat Hurghada nicht gesehen!
Was eigentlich entscheidend war für die Wahl Hurghadas als Urlaubsort war
wohl die Tatsache, dass hier die 1. Internationale Tanzschule Ägyptens
gegründet wurde. Ich hatte den Kurs schon in Deutschland gebucht und mit der
Buchungsbestätigung wanderte ich zu Hoda Ibrahim in das Hotel „Giftun
Club". Hoda war jahrelang die
1. Tänzerin bei Hassan Afifi und unterrichtete mich an drei Tagen jeweils
zwei Stunden. Der Trainingsraum war die Bühne des Theaters. Zuerst muß ich
fünf Minuten vortanzen, damit Hoda mein Können einordnen konnte. Die
Unterrichtssprache war vorwiegend englisch, nur wenn gar nichts mehr half,
versuchte sie mir auf Deutsch etwas zu erklären. Da wir nur 5 Frauen waren und
ich am letzten Tag sogar alleine war, hatte Hoda viel Zeit sich mit jeder
einzelnen zu beschäftigen. Der Unterricht war sehr qualifiziert, aber auch
schweißtreibend und Hoda war oft streng. Frau wurde gedrillt, bis jede Bewegung
richtig saß, aber das finde ich richtig (zumindest für die Frauen mit
Vorkenntnissen). Wir lernten viele Schrittkombinationen und mir als
Fortgeschrittene brachte sie eine komplette Acht-Minuten-Choreographie bei. Der
ägyptische Tanzstil, den sie uns lehrte, war ganz anders, als der, den ich hier
in Workshops lernte. Die Handhaltung war klar, ohne viel Schnörkel und es wurde
viel mit durchgesteckten Beinen getanzt. Daran musste ich mich erst gewöhnen,
denn auch in der Aufwärmgymnastik wurden die Bewegungen schon so geübt. Es
machte mir aber unheimlich Spaß, auch wenn der Laie jetzt den Kopf schüttelt,
und sich fragt, wie verrückt man sein muss, um bei 40° C im Schatten zu
trainieren.
Von Hurghada aus ging es dann am Donnerstag 17.09., zu einem Ganztagesausflug
nach Luxor. Nachdem wir um 4.00 Uhr morgens aufgestanden waren, schliefen wir im
Bus weiter. Die Fahrt ging über die ländliche Gegend von Ägypten und dort
sahen wir in bedrückender Weise, wie bescheiden die Landbevölkerung lebt.
Häuser mit Dächern aus Palmenblättern und Wänden aus dünnem Spanholz und
Lehm und die Menschen in vor Dreck stehender Kleidung zeugen von der Armut.
Gegen 10 Uhr kamen wir in Luxor an. Zuerst wurde das Tal der Könige besucht.
Menschenmengen drängten sich vor den Eingängen der Gräber und verschiedene
Sprachen vermengten sich mit den Verkaufsofferten einheimischer Händler. Von
den bis jetzt 62 entdeckten Gräbern sind in abwechselnder Reihenfolge immer nur
etwa 6 Stück zur Besichtigung geöffnet, da durch den Schweiß der Besucher,
der Erschütterung ihrer Schritte und den Atem der Sprechenden die Gemälde
nicht noch mehr abgenutzt werden sollen. Das Grab von Tut-Ench-Amun, das als
letztes entdeckt wurde, soll aus diesen Gründen vorerst nicht mehr freigegeben
werden. Die Besichtigung war gigantisch und hier sieht man (im Gegensatz zum
Pyramiden-Innern) die berühmten farbigen Zeichnungen und Hieroglyphen an den
Wänden und Decken. Alles ist erstaunlich gut erhalten und unser Reiseführer
erklärte uns viel über den damaligen Glauben an ein Leben nach dem Tode. Die
Grabbeigaben reichten von Gold und Edelsteinen über Thronstühle bis hin zu
Lebensmitteln. Auch kleine Schiffe wurden gefunden, die zur Überfahrt in das
Totenreich dienen sollten. Unvorstellbar der Reichtum, der inmitten dieser
kargen Landschaft gefunden wurde.
Weiter ging es nach 90 Minuten zum Tempel der
Hatschepsut.
Die einzige Frau
auf dem Pharaonenthron ließ sich einen Tempel bauen, der in die Felswand
integriert wurde. Landschaft und Architektur bilden hier eine sehenswerte
Einheit.
Die Memmonkolosse, an denen wir auf der Rückfahrt nach Luxor vorbeikamen,
beeindrucken durch ihre Größe von 18 m, allein die Füße sind 3 m breit, und
die Besichtigung ist zur allgemeinen Verwunderung kostenlos. Schon gestresst vom
Königstal schauten wir nur durchs Busfenster diese Riesen an.
Eine Fahrt auf dem Nil brachte uns danach zum Hotel Mediterranneé, wo wir
ein köstliches Mittagessen einnahmen und uns eine Stunde am Pool erholten.
Nachmittags holt uns der Bus wieder ab und wir fuhren zum Karnak-Tempel.
Der
Eingang des Tempels ist wie eine Allee geschmückt mit Steintieren recht und
links, die die Gottheiten darstellen. Viele Pharaonen bauten rund 2000 Jahre an
diesem Tempel. Berühmt ist der dortige Säulenwald mit 122 Säulen, die
allesamt mit Hieroglyphen beschriftet sind und eine Höhe von 15 m haben. Neben
dem heiligen See, der den Priestern zu Waschungen diente, steht ein
Riesenskarabäus, der Glücksbringer Ägyptens. Nachdem unser Reiseführer
erklärte, man müsse mehrmals darum herum gehen, um zu ewigem Glück zu
gelangen, liefen wir ca. 7x im Kreise und kamen uns dabei doch recht albern vor.
Aber das Gewissen und der Aberglaube waren beruhigt. Vier Kilometer vom
Karnak-Tempel entfernt befindet sich der Luxor-Tempel, erbaut von Ramses II und
Amenophis III, und er ist dem Gott Amun geweiht. Zwei Obelisken standen
einstmals am Eingang. Ein Obelisk wurde aber von Mohammed Ali als Geschenk an
Napoleon gegeben. Er ziert heute den Place de la Concorde in Paris. Ägypten
erhielt als Gegengeschenk ein große Uhr, die in der Mohammed Ali Moschee ihren
Platz gefunden hat.
Neben dem Luxor-Tempel befindet sich auch das Basar-Viertel. Hier kann man
wunderschöne Bauchtanz-Kostüme und Accessoires günstig erstehen. Es lohnt
sich, ein Fahrrad zu mieten oder mit einer Pferdekutsche die
90.000-Einwohner-Stadt zu erkunden. Vollgepackt mit viel Erlebnissen und noch
mehr Kultur traten wir um 18 Uhr den Rückweg an. Was wir an einem Tag
besichtigten, erfordert normalerweise 3 Tage. Ich empfehle daher jedem, mehrere
Tage in Luxor zu verbringen, es lohnt den Besuch auf jeden Fall.
Noch einen letzten Tag verbrachten wir in unserem Hotel-Club Magawish mit
absoluter Ruhe und Müßiggang, bis es dann wieder Kofferpacken hieß. Meine
erstandenen Bauchtanz-Kostüme und sämtliche Mitbringsel verstaute ich in
Koffer, Reisetaschen und Plastiktüten. Das Gepäck klingelte bei jedem Schritt
wie ein geschmückter Weihnachtsbaum, und ich hatte mächtig Angst, nicht durch
den Zoll zu kommen.
Aber alles klappte hervorragend und gegen Samstag Abend landeten wir
wohlbehalten in Stuttgart.
Wenn ich heute meine Bauchtanz-Kostüme zu Auftritten trage oder die
Urlaubsfotos betrachte, werde ich ganz wehmütig und eines weiß ich dann ganz
sicher:
Ägypten, ich komme wieder!
Wie schon oben geschrieben, verfasste ich diese Reportage im Sommer 1992.
Vermutlich haben sich Dinge wie Preise, Öffnungszeiten etc. geändert.
Vielleicht gibt es auch das ein oder andere Lokal nicht mehr.
Mein Bericht soll aber auch nur ein bisschen Lust machen auf das
faszinierende Land am Nil.